Die Künstlerin Maren Strack bewegt sich in ihren Arbeiten an der Schnittstelle von Körperlichkeit, Materialität und Technik. Mit Performances, Installationen und ungewöhnlichen Materialexperimenten fordert sie gängige Vorstellungen von Kunst, Weiblichkeit und körperlicher Grenzerfahrung heraus. Von magnetischen Küchenutensilien über Latexkleider bis hin zu tanzenden Maschinen – ihre Werke sind eine intensive Auseinandersetzung mit der Beschaffenheit und dem narrativen Potenzial von Materialien. Dabei stellt sie oft Fragen zu gesellschaftlichen Rollenbildern und der Transformation von Frauenbildern im Kontext von Kunst, Technologie und Autonomie. In diesem Interview gibt sie Einblicke in ihre kreative Praxis, Inspirationsquellen und die Bedeutung von Kunst als Impulsgeberin für gesellschaftliche Veränderung. Für Maren Strack nutzt das difgl in Zukunft seine Expertise für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf Vernetzung, Vermarktung und Verbindung, so wie es diese auch für kleine und mittelständische Unternehmen zur Verfügung stellt. Wir freuen uns Maren Stracks Arbeit an dieser Stelle vorzustellen:
Ihr Werk scheint oft an der Schnittstelle von Körperlichkeit, Materialität und Technik zu operieren. Wie entsteht die Idee für eine Performance – beginnt sie mit einer Bewegungsidee, einem bestimmten Material oder einem technischen Experiment?
Das ist ganz unterschiedlich: Bei Frauen am Herd standen Küchenutensilien aus Metall, Magneten an Kostüm und Küchenwänden am Anfang – also das Material. Dazu kamen Elektromagnete in den Plateausohlen der Schuhe, die z.B. Besen und Töpfe anmagnetisieren und wieder loslassen können – also ein technisches Experiment. In der Performance Latex hat wiederrum die Bewegungsidee den ersten Impuls gegeben: Beim Ansehen eines klassischen Ballets hatte ich die Idee, die immense Kraft, mit der Tänzerinnen und Tänzer springen, sichtbar zu machen. Dafür habe ich den Saum eines stark dehnbaren Latexkleides am Boden befestigt: Die Kraft des Sprungs wird also gebremst. Beim Sprung der Tänzerinnenfigur zieht sich das Kleid optisch weit in die Länge, dabei klatscht der Latex-Stoff gleichzeitig laut hörbar gegen die Beine.
Sie setzen Ihren Körper in Ihren Arbeiten oft extremen physischen Belastungen aus. Welche Rolle spielt diese Grenzerfahrung für die Aussage Ihrer Performances? Und wie reflektieren Sie dabei die Erwartungen an weibliche Körper?
In der Performance Ytong tanze ich auf einem Ytongstein Flamenco, mit dicken Spikes unter meinen Tanzschuhen – bis der Stein in Schutt und Staub zerlegt ist. Ich gerate durch einen Akt der Zerstörung an meine physischen Grenzen, indem ich den Sockel zerlege, das Podest, auf dem ich tanze. Es wird immer brüchiger, bis ich herunterfalle. Die Skulptur entsteht hier nicht in einem herkömmlichen künstlerischen Schaffensprozess, sondern durch seine Umkehr, die Zerstörung. Damit demontiere ich zugleich das Bild der Tänzerin: Aus dem anfangs “klassischen“ Flamenco – in Pumps, mit Kastagnetten – wird mit der Zerstörung des Sockels ein schwankender Balanceakt. Der Flamenco gerät zunehmend aus dem Takt, meine Bewegungen werden unrhythmisch, rudernd, bis ich falle.
Wie wählen Sie Ihre Materialien aus, und was verraten sie über die Narrative, die Sie erzählen möchten?
Ich prüfe die Materialien auf ihre choreographische Benutzbarkeit: Wie brechen, fallen, zerbersten, dehnen, klingen, schwingen sie? Sind die Materialprozesse und daraus resultierenden Klänge interessant? Sind die Materialien und ihre installative Anordnung stimmig, entstehen Narrative, die ich manchmal, aber nicht immer kontrolliere. In der Performance Reservereifen habe ich mich mit der Rennfahrerin Clärenore Stinnes befasst; für mich war ihre Geschichte eine Art Untergrund, auf dem ich gearbeitet habe. Oft entstehen die Bilder und Geschichten aber in den Köpfen von Zuschauern und Kunstkritikerinnen: In Muddclubsolo trage ich ein rotes Outdoorzelt als Kleid und hänge an meinen zu einem Zopf geflochtenen Haaren, das hat viele an die Figur der Olympia aus den Erzählungen von E.T.A. Hoffmann erinnert.
Das Thema Weiblichkeit zieht sich als roter Faden durch Ihre Arbeiten. Wie definieren Sie moderne Weiblichkeit in einem künstlerischen Kontext – insbesondere im Spannungsfeld von Autonomie, Technik und Körper?
Es geht sehr oft um Frauenbilder und Frauenrollen. Als ich mein Studium an der Kunstakademie in München begonnen habe, gab es in der Bibliothek ein Regal “Frauen“. So einfach war das: Die wenigen Performance-Künsterlinnen, die es damals gab, sortierte man einfach in eine Ecke. Das war frappierend! Konkret stelle ich in meinen Performances unterschiedliche Fragen. Ein Beispiel: Jahrtausendelang wurden Frauen in fast allen Teilen der Welt auf Küche und Herd reduziert. Auf kleinstem Raum wurden sie eingeengt und eingeschränkt, in ihrer Bewegungsfreiheit, in ihrem Tun, kurz: in ihrer Würde als individuelle Persönlichkeiten mit all ihren Möglichkeiten. Und obwohl sich das in unserer Gesellschaft stark verändert hat, wird noch immer vieles, was Frauen können und tun, in der Werteskala eher niedrig angesiedelt. Mit Frauen am Herd kehre ich an den Ort zurück, wo den Frauen ihr Würde genommen wurde: Es ist eine Heavy-Metal-Kunstperformance mit Haushaltsgeräten. Emanzipiert, selbstbewusst, mit sehr viel Energie. Die Küche wird zum perkussiv-szenischen Klangraum, die Frau am Herd zur Künstlerin, die all das ist, was Frauen lange verboten war: sichtbar, laut (auch leise), einzigartig.
Ihre Performances funktionieren oft auch ohne Ihre physische Präsenz, wie etwa in Installationen oder Werkschauen. Was bedeutet diese Unabhängigkeit Ihrer Werke für Ihre Rolle als Performerin und Künstlerin?
Eigentlich bedeutet es nur dass ich nicht immer physisch anwesend sein muss.
Ich habe einmal probiert mit einer unabhängig von mir laufenden Installation zu performen, der Gehmaschine. Das war eine Maschine, die sieben Paar Tanzschuhe gleichzeitig hat laufen lassen. Diese Schuhe waren von mir mit unterschiedlichen Materialien präpariert, so dass sie unterschiedliche Klänge erzeugten. Im Prozess habe ich gemerkt, dass es uninteressant ist, mit einer stoisch laufenden Maschine zu performen. Letztendlich wurde die Gehmaschine zu einem Ausstellungsstück.
Anders als meine Performances sind meine Installationen performativ insofern, als sie sich bewegen, aber es handelt sich um in sich geschlossene, meist repetitive Vorstellungen.
Das difgl beschäftigt sich mit Fragen des guten Lebens und der gesellschaftlichen Transformation. Welche Impulse kann Kunst – insbesondere performative Installationskunst – Ihrer Meinung nach geben, um über alternative Lebensweisen und Technologien nachzudenken?
Kunst ist immer kreativ und innovativ, es gibt also wohl kaum einen Bereich, der mehr Impulse für gesellschaftliche Transformation liefert. Das ist eine Binsenweisheit. Ob Performance und Installation das besser können als andere Kunstformen, weiß ich nicht. Sicher aber passen Installationen in unsere Zeit der Maschinen, und die Performance ist ja als eine Befreiung aus den Zwängen herkömmlicher Kunst-Settings entstanden, insofern tragen beide hoch aktuelle Impule in sich: Die Installation das maschinelle, die Performance die große Herausforderung, die absolute Freiheit mit sich bringt: Hier geht es darum, im riesigen Ozean der Möglichkeiten immer wieder einen Anker auszuwerfen.